Einfach losgehen. Eine Wegstrecke zu Fuß zurücklegen. Unterwegs vom Weg abweichen. Meine Pausen selber festlegen. Mir Zeit geben, Räume zu erkunden, auch das, was dazwischen liegt. Mir etwas zutrauen, Grenzen überschreiten. Die Wahrnehmung schulen. Innenschau halten. Gespräche mit mir selber führen.
Heute sind wir mit viel Tempo unterwegs. Innerhalb weniger Stunden können wir praktisch jeden x-beliebigen Ort erreichen, während unsere eigene Körperkraft kaum noch zum Einsatz kommt. Wir haben uns "verstandortet", sind unbeweglich geworden, lassen uns abholen, chauffieren, fahren selbst. Meistens finden diese "Tätigkeiten" im Sitzen statt, in unserer Freizeit tauchen wir in Medienwelten ein, lassen uns berieseln und träumen uns mitunter an exotische Schauplätze. Dort, so glauben wir, ist das Leben anders, dort blühen wir auf. Doch wie sind diese Vorstellungen am besten lebbar, wenn sich gleichzeitig auch immer mehr Menschen nach einem entschleunigten Leben sehnen, nach Harmonie, Balance, einer Auszeit? Beim Wandern bleibt man auf das Wesentliche konzentriert. Man ist in Bewegung, muss den Weg selbst finden, sich konzentrieren, sich orientieren. Man kann den Boden unter den Füßen spüren und sich selbst auch. Natürlich ist die Freiheit, an weit entfernte Orte zu fahren, etwa Kostbares, etwas, das man auch nicht "wegdrücken" muss. Viel wichtiger wäre es, eine Balance zu finden zwischen beiden Möglichkeiten: der Erfahrung von Nahräumen und fernen Zielen. Denn erst wenn ich imstande bin, zwischen beiden Welten zu pendeln, kann ich die gesamte Fülle erfahren. Und das geht vor allem sehr gut, wenn man zu Fuß unterwegs ist, denn Wandern kann vieles sein. Aus der Fülle der Möglichkeiten interessiert mich vor allem jene, bei der sich das Gehen mit der Selbsterfahrung und der Sinnsuche verbindet.
Lesestoff*:
Luca Lauga: Die Stille kommt beim Gehen: Auf dem Weg zu mir.
Jerzy Kokurewicz: Sacred EarthWalk: Wisdom of the Elders
Joachim-Ernst Berendt: Es gibt keinen Weg. Nur gehen: Sein in der Natur.